Wie Künstliche Intelligenz das Studium verändert – Ergebnisse einer Hochschulbefragung
Wie verändert der Einsatz Künstlicher Intelligenz den Hochschulalltag? Diese Frage steht im Zentrum des Forschungsprojekts MoKITUL – Moderne KI-basierte Tools zur Unterstützung der Lehre an Hochschulen, das an der Fachhochschule Erfurt durchgeführt wird. Im Rahmen dieses Projekts wurde im Wintersemester 2024/25 eine Umfrage unter Studierenden, Lehrenden und Mitarbeitenden der FH Erfurt, Universität Erfurt und Hochschule Schmalkalden durchgeführt. Ziel war es, Erfahrungen, Erwartungen und Herausforderungen beim Einsatz von KI im Hochschulkontext aus der Praxis heraus zu erfassen – und konkrete Ansätze für einen sinnvollen, alltagstauglichen KI-Einsatz in Lehre und Studium zu entwickeln.
KI-Nutzung in Studium und Lehre allgegenwärtig, aber nicht bedenkenlos
KI ist weit verbreitet – ihr wird aber nicht blind vertraut. 88 % der Befragten gaben an, KI-Tools für Studium, Lehre oder Arbeit zu nutzen. Im privaten Kontext liegt die Nutzungsquote bei 79 %. Studierende greifen deutlich häufiger auf KI zurück als Lehrende: 94 % der Studierenden und 67 % der Lehrenden setzen KI beruflich oder im Studium ein. Die Nutzung erfolgt meist gelegentlich bis regelmäßig.
Beim Vertrauen in die Richtigkeit von KI-Antworten überwiegt Zurückhaltung: Nur 33 % haben „ziemlich viel“ Vertrauen, niemand gab „sehr viel“ Vertrauen an. Rund 31 % äußerten eine neutrale Haltung – Studierende zeigten insgesamt etwas mehr Zutrauen in die Ergebnisse als Lehrende.
Texte, Fragen, Quellen – und mehr: Wofür KI genutzt wird
Am häufigsten kommt KI für die Bearbeitung von Texten, die Recherche und zur Klärung von Verständnisfragen zum Einsatz. Ein Blick auf die meistgenannten Verwendungszwecke (siehe Diagramm) zeigt: Neben der klassischen Textverarbeitung (71 %), Recherche (64 %) und der Unterstützung bei Verständnisfragen (62 %) wird KI zunehmend auch für Übersetzungen (41 %), Prüfungsvorbereitung (34 %) und das Erlernen neuer Fähigkeiten (32 %) verwendet. *

Interessant ist dabei: Studierende und Lehrende setzen KI zwar teilweise unterschiedlich ein, aber viele Nutzungsformen überschneiden sich. Studierende nutzen KI verstärkt zur Textproduktion und zum Verständnis komplexer Inhalte, Lehrende eher für Übersetzungen, zur Erstellung von Unterrichtsmaterialien oder Generierung von Bild- und Videoinhalten. Tools zur Erstellung von Präsentationen und Aufgaben sowie zur Prüfungsvorbereitung und -bewertung kommen bei Lehrenden deutlich seltener zum Einsatz.
* Hinweis: Die in diesem Abschnitt dargestellten Prozentwerte basieren auf den Antworten von 91 Personen, die zum Zeitpunkt der Befragung KI-gestützte Tools aktiv nutzten. Teilnehmende, die angaben, keine entsprechenden Tools zu verwenden, wurden bei dieser Auswertung nicht berücksichtigt.
Fächergruppen mit verschiedenen Vorlieben, aber ähnlichen Herausforderungen
Die Analyse nach Fachrichtungen zeigt deutliche Unterschiede im Interesse an KI-Tools: Studierende, Lehrende und Mitarbeitende aus den MINT-Fächern (z. B. Ingenieurwissenschaften oder Informatik) wünschen sich vor allem Unterstützung bei Programmierung und Bild-, Grafik- oder Audiogenerierung. In den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften dominieren dagegen Wünsche nach Hilfe bei Datenanalyse, Präsentationserstellung oder sprachlicher Unterstützung.
Trotz dieser Unterschiede eint die Fachgruppen ein gemeinsamer Bedarf: Über alle Disziplinen hinweg wünschen sich Befragte vor allem Unterstützung bei der wissenschaftlichen Recherche, beim Erstellen von Zusammenfassungen und bei der Auswertung von Daten. So gaben in den Ingenieurwissenschaften rund drei Viertel der Teilnehmenden an, KI vorrangig für die Literaturrecherche zu nutzen – in anderen Fachrichtungen lagen die Werte teils sogar noch höher, zwischen 70 und 94 Prozent.
Veränderte Lehre durch KI: Neue Formate und Prüfungsansätze
Der Wandel zeigt sich nicht nur bei Studierenden – auch in der Lehre verändert KI die Praxis. Ein Drittel der befragten Lehrenden hat KI bereits aktiv in den Lehrplan integriert. Weitere 33 % gaben an, Prüfungsformate an die neuen technischen Möglichkeiten angepasst zu haben.
Konkrete Veränderungen umfassen z. B. Projektarbeiten unter aktiver Nutzung von KI, Diskussionen über KI-generierte Ergebnisse oder eine stärkere Betonung von Verstehensleistungen und mündlicher Argumentation. Statt reiner Reproduktion steht nun vermehrt die Fähigkeit im Vordergrund, Inhalte kritisch zu reflektieren – insbesondere, wenn KI bei der Erstellung der Leistungen beteiligt war.
Wissenschaftlich, sicher, nachvollziehbar – Eigenschaften, die bei KI wirklich zählen
Nutzende erwarten viel von KI – zu Recht. Die wichtigsten Anforderungen der Studierenden sind: wissenschaftliche Fundierung und fehlerfreie Ergebnisse (82 % der Befragten), Benutzerfreundlichkeit (77 %) sowie Datenschutz und Sicherheit (75 %). Lehrende betonten ähnliche Punkte und ergänzten die Bedeutung ethischer Standards und Kostentransparenz.
Besonders wichtig ist die Frage: Was macht eine KI-Antwort wissenschaftlich? Hier zählten für die Befragten vor allem nachvollziehbare Quellen, belegbare Argumentation und inhaltliche Richtigkeit. Auch Transparenz in der Herleitung von Ergebnissen und eine logische Argumentationsstruktur wurden als essenziell eingestuft.
Wunschdenken oder Zukunftsplan? Was Hochschulen sich von KI erhoffen
KI wird nicht nur als Hilfsmittel für einzelne Aufgaben gesehen, sondern als Chance, die gesamte Hochschulbildung effizienter und flexibler zu gestalten. Studierende erwarten vor allem Unterstützung bei der Recherche (82 %), Hilfe bei Ideenfindung und Strukturierung (73 %) sowie bei der Datenanalyse (63 %).
Lehrende erhoffen sich zusätzlich eine Entlastung durch die Automatisierung von Routineaufgaben (72 %) und eine Unterstützung bei der Erstellung oder Erweiterung von Lehrmaterialien (61 %). Das Potenzial zur Steigerung der Lehrqualität wird ausdrücklich anerkannt – sofern die Tools qualitativ hochwertig sind.
Nicht alles ist smart: Wo Zweifel an KI bleiben
Trotz der verbreiteten Nutzung gibt es auch kritische Stimmen. Studierende befürchten insbesondere fehlerhafte Antworten (64 %), eine zu hohe Abhängigkeit von KI (49 %) und mangelnde Qualität der Tools (58 %). Lehrende äußerten zusätzlich datenschutzrechtliche und ethische Bedenken: die Intransparenz bei Trainingsdaten, Sicherheitslücken und fehlende Kontrolle über die Verwendung personenbezogener Daten.
Einige Lehrende äußerten zudem strukturelle Bedenken: Ihnen fehlt häufig die Zeit, sich intensiv mit der Vielzahl verfügbarer KI-Tools auseinanderzusetzen und deren Qualität einzuschätzen. Auch die Einarbeitung in neue Anwendungen empfinden viele als aufwendig. Kritisiert wurde in diesem Zusammenhang das bislang unzureichende Weiterbildungsangebot der Hochschulen – es mangele an praxisnaher Schulung, klaren Handlungsempfehlungen und Transparenz darüber, was beim KI-Einsatz in der Lehre tatsächlich erlaubt ist.
Regeln gewünscht – zum Schutz akademischer Integrität
Eine breite Mehrheit (68 % der Studierenden, 83 % der Lehrenden) sprach sich für klare Richtlinien zum Umgang mit KI an Hochschulen aus. Nur wenigen Befragten sind solche Regeln bislang bekannt. Die Gründe für den Wunsch nach Richtlinien: Rechtssicherheit, klare Nutzungsregelungen bei Prüfungen und der Schutz akademischer Integrität.
Auch Thüringenweite Richtlinien wurden überwiegend begrüßt (rund drei Viertel der Befragten). Befürworter sehen Vorteile in einheitlichen Standards und effizienter Ressourcennutzung. Gleichzeitig wurden aber auch Vorbehalte geäußert: Hochschulen hätten unterschiedliche Bedarfe, und zu starre Vorgaben könnten Autonomie der Hochschulen und Freiheit von Forschung und Lehre einschränken.
Fazit: KI als Werkzeug – mit Verantwortung eingesetzt
Die Ergebnisse zeigen: KI ist im Hochschulkontext angekommen – als nützliches Werkzeug, das Lernprozesse unterstützen, Lehre verändern und Routinen entlasten kann. Doch der verantwortungsvolle Umgang mit dieser Technologie steht erst am Anfang. Studierende wie Lehrende sind bereit, KI sinnvoll zu nutzen – sofern sie transparent, wissenschaftlich fundiert und sicher ist.
Die Herausforderung für Hochschulen besteht nun darin, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen: mit klaren Regeln, passenden Tools und der Vermittlung notwendiger Kompetenzen für eine reflektierte KI-Nutzung.
In kompakter Form zusammengefasst:
Anmerkung zur Methodik der Umfrage:
Die hier präsentierten Ergebnisse basieren auf einer anonymen Online-Umfrage, die im Rahmen des Projekts MoKITUL im Zeitraum von Januar bis Februar 2025 durchgeführt wurde. Befragt wurden 102 Personen (73 Studierende, 18 Lehrende und 11 Hochschul-Mitarbeitende) der Fachhochschule Erfurt, Universität Erfurt und Hochschule Schmalkalden. Alle Prozentangaben wurden aus den absoluten Häufigkeiten berechnet und dienen der Veranschaulichung von Tendenzen innerhalb der befragten Gruppen. Mehrfachnennungen waren bei vielen Fragen möglich.
Es handelt sich um eine nicht-repräsentative Stichprobe. Aufgrund des begrenzten Umfangs und der freiwilligen Teilnahme können Verzerrungen in den Einschätzungen nicht ausgeschlossen werden. Die dargestellten Ergebnisse spiegeln den zum Zeitpunkt der Erhebung bestehenden Sachstand an den beteiligten Hochschulen wider und erheben keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Dennoch geben sie wertvolle Einblicke in aktuelle Entwicklungen, Bedarfe und Herausforderungen im Umgang mit KI in Studium und Lehre.
Hinweis zum Poster:
Das Poster „Wie KI das Studium verändert – Einblicke aus der Praxis“ zeigt eine kompakte und vereinfachte Auswahl der wichtigsten Ergebnisse der Befragung im Rahmen des Projekts MoKITUL. Es dient als visuelle Zusammenfassung zentraler Erkenntnisse und soll Diskussionen anregen sowie zum Austausch über den Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Hochschulbildung beitragen.
Bitte beachten Sie: Aus Gründen der Übersichtlichkeit konnten nicht alle differenzierten Aussagen und fachspezifischen Unterschiede abgebildet werden. Der begleitende Artikel bietet eine vertiefte Darstellung der Ergebnisse, inklusive methodischer Hinweise, Vergleichsperspektiven und einer erweiterten inhaltlichen Einordnung.
Weitere Informationen zum Projekt MoKITUL und ggf. weiterführende Materialien finden Sie auf unserer Projektwebseite.